Zukunftsjob „virtueller Fitnesstrainer“?
16.09.2013.Münster. Virtuelle Fitness boomt: Alleine in Deutschland bieten fast tausend Fitnessstudios das Schwitzen vor überdimensionalen Monitoren oder Leinwänden an. Branchengiganten wie Power Plate setzen zunehmend auf multimediale Trainings. Klar ist: Der Trend wird die Branche und auch die Arbeitsmarktsituation von Fitnesstrainern nachhaltig verändern. Während die einen um ihre Arbeitsplätze bangen, sehen andere in virtuellem Training eine große Chance für die Fitnessbranche.
Hauptberuflich arbeitet Patrick Taillandier im Vertrieb eines Sportartikelherstellers, abends leitet er nebenberuflich IndoorCycling-Fans in Fitnessstudios und auf Events an. Seit rund 15 Jahren gibt der gebürtige Franzose in Deutschland IndoorCycling-Kurse. Ab Mitte dieses Jahres wird er in mehr als 200 Clubs gleichzeitig seine Trainings geben: Auf großen Leinwänden und überdimensionalen Monitoren. Denn Taillandier beginnt eine Karriere als virtueller Fitnesstrainer bei der CyberConcept GmbH, dem europaweit führenden Anbieter so genannter CyberFitness.
Das Unternehmen entdeckte Taillandiers Talent Anfang des Jahres und war so davon überzeugt, dass es ihm Schulung und Kameratraining bezahlte. Der erste Dreh war trotz aller Vorbereitungen gewöhnungsbedürftig. „Es ist ein großer Unterschied, einen Live-Kurs zu geben oder einen virtuellen“, so Taillandier. „Beim Filmdreh bist Du permanent unter Anspannung und musst Dich ständig hinterfragen, wie Du die Teilnehmer, die ja nicht im Sichtfeld sind, präzise und fehlerfrei führen kannst.“
Druck auf die gesamte Branche steigt
Taillandier ist einer der Ersten, die den Sprung auf die große Leinwand geschafft haben. Denn ohne Frage wird der Trend zur virtuellen Fitness die Branche auf den Kopf stellen: Zum einen werden einige Entlassungen von Kursleitern befürchtet, andererseits werden Stimmen laut, virtuelle Fitness sei eine gute Chance, um noch mehr Menschen zum Sport zu bewegen – was sich wiederum positiv auf den Arbeitsmarkt auswirken würde.
„Wir machen virtuelle Trainings schon seit rund sieben Jahren und haben mehr als 200 Clubs als Lizenznehmer. Einen Trend zu Entlassungen gibt es nicht“, erklärt Tom Dederichs, sportlicher Leiter bei CyberConcept. Er war der erste CyberCoach, dessen Classes deutschlandweit in Fitnessstudios verbreitet wurden. Seiner Erfahrung nach führt CyberFitness sogar zu einer verstärkten Nachfrage von reellen Kursen, da sie einen idealen Einstieg zum Fitnesstraining darstellen. „Wir füttern Live-Kurse erfahrungsgemäß sogar an. Deswegen werden auch keine Arbeitsplätze gefährdet – im Gegenteil“, erläutert er. „Aber das bedeutet auch, dass der Druck auf die gesamte Branche steigt – im Übrigen auch auf uns.“
Minderwertige Kursangebote werden nicht überleben
Der Druck steigt, weil Fitnessstudios mit einem Schlag sehr viel mehr Kurse anbieten können, die allesamt hochwertig produziert sind und unter Anleitung von Master-Trainern stattfinden. Mitglieder und Endkunden können somit die Angebote besser miteinander vergleichen. „Ich denke, für die Branche ist das gut“, meint Dederichs. „Die Anforderung an die Qualität der Kurse wird immer höher: Schlechte Kurse werden sich nicht mehr halten können. Wir Trainer müssen uns dann noch mehr hinterfragen. Das wird anstrengend, ist letztlich aber eine ganz normale Entwicklung.“
Der Trend geht weiter Richtung Vernetzung
Ein weiterer Trend geht hin zu so genannten Online-Fitnessstudios. Immer mehr Anbieter stellen ihre virtuellen Kurse zu einem geringen Kaufbetrag ins Internet. Dederichs ist sich sicher, dass der Trend auch weiterhin Richtung Vernetzung gehen wird. In Kombination mit CyberFitness-Angeboten in Studios werden dadurch folgerichtig die Anforderungen an Trainer exponentiell erhöht: Attribute wie gute Körpersprache, rhetorisches Geschick oder antizipative Anweisungen werden zunehmend gefragt.
„Ein guter Kursleiter muss die Teilnehmer nicht individuell korrigieren“, weiß Dederichs. „Er wählt die Übungen ganz gezielt aus und gibt die Anweisungen so, dass seine Teilnehmer entweder gar keine Fehler machen – und wenn doch, dann keine schädlichen. Dieses vorausschauende Trainieren wird eine der wichtigsten Qualitätsanforderungen an die Trainer – ob virtuell oder real.“
Das vorausschauende Anleiten eines Kurses setzt jedoch hinreichend Erfahrung mit fehlerhaften Bewegungsbildern und angemessenen Trainingsinhalten voraus. CyberCoach kann demzufolge nur ein Trainer werden, der schon Jahre im Geschäft ist und sich fachlich mit der Materie genau auskennt. Fitnesstrainer, die ihr Handwerkszeug in oberflächlichen Workshops oder autodidaktisch lernen, haben dementsprechend geringe Chancen auf dem Markt – und werden sich auch nur schwerlich gegen die virtuellen Angebote durchsetzen können.
Gute Karten für gute Trainer
Wer jedoch hochwertige Kurse gibt, hat gute Karten auf dem Markt: Seit Dederichs Videos regelmäßig in mehr als 200 Fitnessclubs und einem Online-Fitnessstudio zu sehen sind, hat sein Bekanntheitsgrad drastisch zugenommen: Er ist besser gebucht, wird teilweise auf der Straße von Fans angesprochen und auf Events mit dem Attribut „CyberCoach“ vorgestellt. Taillandier könnte diesem großen Vorbild bald folgen. Um Karriere oder Geld geht es dem Vollblutsportler jedoch nicht: „Ich liebe den Job. Ich liebe es, Menschen anzuleiten und das Bewusstsein für Fitness zu verbreiten. Dabei haben reale und virtuelle Kurse beide ihre Vorteile. Letztendlich geht es doch einfach nur um den Spaß möglichst vieler Menschen am Sport.“
Interview mit Tom Dederichs
Tom Dederichs von der CyberConcept GmbH war der erste CyberCoach Deutschlands: Seit 2006 leitet er zahlreiche Sportfans per Videoanimation an. Mittlerweile horchen viele tausend Menschen regelmäßig auf seine Trainingsanweisungen, in mehr als 200 Fitnessstudios sind seine virtuellen Classes installiert. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, wie die große Nachfrage nach CyberFitness die Branche verändern wird.
Tom, auf ein offenes Wort: Werden wegen virtueller Angebote künftig hunderte Fitnesstrainer entlassen?
Ich glaube, dass das eine zu simple Betrachtung der gesamten Situation ist. Virtuelle Fitness gibt es in relevanter Menge bereits seit drei Jahren in Deutschland. Bislang gibt es aber keinen Trend, dass Trainer vielfach entlassen werden. Im Gegenteil: Wir sehen, dass Einsteiger häufig virtuelle Fitness nutzen, um Berührungsängste vor einem reellen Kurs abzubauen. Tatsächlich füttern unsere Produkte Live-Kurse erfahrungsgemäß sogar an.
Aber die Folge virtueller Fitness ist doch, dass reale Kurse immer mehr unter Druck geraten. Und damit sind doch Arbeitsplätze gefährdet?
Ja, der Druck wird größer. Und zwar auf jeden einzelnen Trainer. Aber das ist doch nichts Negatives! Es bedeutet, dass sich Qualität langfristig durchsetzen wird. Es gibt sehr, sehr gute Fitnesstrainer, die überhaupt nicht gefährdet sind. Aber wer meint, er könne das komplette Handwerkszeug in einem zweitägigen Workshop erlernen ohne eine vernünftige Ausbildung – der wird Probleme bekommen.
Ich kann mir eher vorstellen, dass der Markt hauptberufliche Trainer wieder stärken wird: Leute, die ihr Handwerk richtig gut verstehen und deswegen hoch gehandelt werden. Multimedialität wird den Bereich des Personal Trainings stark beeinflussen.
Was ist Deiner Meinung nach die Folge dieser Entwicklung?
Das Internet bietet großes Potenzial: Die Vernetzung wird immer stärker – und das bedeutet für den Endkunden, dass durch CyberFitness die Leistungen eines Personal Trainer besser zu vergleichen sind. Das wird den Markt beleben – und das wird sich ganz sicher positiv auf die Qualität auswirken. Denn in Folge heben sich gute Angebote hervor. Die Entwicklung sehe ich sehr positiv. Aber, ja, keine Frage: Meine Kollegen und ich stehen vor großen Herausforderungen.
Welche Fähigkeiten muss denn ein guter CyberFitness-Trainer Deiner Erfahrung nach mitbringen?
Es gibt zum einen die offensichtlichen Fähigkeiten: Kameraaffinität, Charisma, gute Kommunikation über den Körper und so weiter. Zudem muss die Trainerin oder der Trainer in der Lage sein, in der sterilen Studioatmosphäre Vollgas zu geben. Die Kamera schluckt immer so ein bisschen den Motivationsfaktor eines Live-Kurses. Das muss durch hohe Präsenz ausgeglichen werden – und das über mehrere Stunden in einem Raum voller technischer Geräte.
Aber das wichtigste ist, dass der Trainer viel Erfahrung hat und antizipativ typische Fehlerbilder korrigiert.
Ein vielfacher Vorwurf gegenüber CyberFitness lautet, dass solche fehlerhaften Bewegungsbilder nicht individuell korrigiert werden. Wie siehst Du das?
In 90 Prozent aller realen Gruppen-Fitnesskurse, sei es IndoorCycling oder Aerobic, wird nicht individuell korrigiert. Wie könnte das also ein Nachteil sein?
Tatsächlich habe ich dazu schon folgende Meinung gehabt, bevor es CyberFitness überhaupt gegeben hat: Ein guter Trainer muss bei grundlegenden Bewegungsabläufen, mit denen wir es in unseren CyberClasses zu tun haben, nicht individuell korrigieren. Es bringt nichts, wenn ich mir einen Kursteilnehmer nehme und so verbiege, dass es richtig für mich aussieht. Er wird die Bewegung dadurch nicht schneller lernen. Nein, ein guter Personal Trainer vermittelt durch Sprache, Erklärung und Körpereinsatz ein bestimmtes „Gefühl“ einer Bewegung. Er erklärt, wie sie sich anfühlen sollte und worauf man achten muss.
Ein CyberFitness-Trainer muss dieses Grundprinzip des Personal Trainings besonders gut beherrschen. Außerdem muss er genau wissen, welche Bewegungen sich überhaupt für CyberFitness eignen.
Was für Bewegungen eignen sich denn für CyberFitness?
Eben jene Bewegungen, die schnell korrekt in die Vorstellung des Trainierenden transferieren. Bewegungen, bei denen keine gravierenden Fehler passieren können. Bei CyberConcept beschäftigen wir uns seit rund sieben Jahren mit der Thematik – so lange, wie sonst keiner auf dem Markt. Wir wissen genau, was ein Anfänger bei einer CyberClass zugemutet werden kann und was nicht. Und deswegen sind unsere Kurse für alle Teilnehmer sicher und effektiv.
Quelle: www.cyberconcept.de