Münster, 19.05.15. Revolution in der Impfstoffforschung? Das Biotech-Unternehmen Cilian AG hat ein neues Herstellungsverfahren für Impfstoffe entwickelt, das voraussichtlich ohne Impfstoffverstärker wie beispielsweise Aluminiumhydroxid auskommt. Das belegen jetzt erste Tests mit Grippevakzinen. Die Impfstoffverstärker sind in der Vergangenheit vielfach in Kritik geraten und haben eine bundesweite Massenbewegung der Impfkritik und –skepsis ausgelöst.
Die Besorgnis in der Bevölkerung steigt: Immer mehr Menschen haben Bedenken gegenüber Impfungen, immer mehr Eltern plagt die Sorge, dass eine Impfung bei ihren Kindern mehr Schaden als Nutzen bringt. Laut einer Studie des Zentralinstituts für kassenärztliche Versorgung, Berlin, standen im Jahr 2011 bereits 35 Prozent der Mütter einer Schutzimpfung kritisch gegenüber – Tendenz steigend. Impfskeptische Informationsangebote schießen wie Pilze aus dem Boden und erhalten einen immer größeren Zulauf.
Grippe-Impfstoffe im Fokus der Debatte
Im Fokus der Skeptiker steht dabei insbesondere die jährliche Grippeimpfung: Versorgungsengpässe und die schwache Wirksamkeit in den vergangenen Jahren haben die Diskussion angefacht. Erschwerend hinzu kamen mehrere Todesfälle nach einer Grippe-Impfung in Italien vergangenes Jahr, obwohl der Zusammenhang zwischen Impfung und den Todesfällen nicht belegt ist.
„Es ist besorgniserregend, dass viele Menschen einem so wichtigen Thema wie der Grippe-Impfung kritisch gegenüberstehen“, so Prof. Dr. Dr. Stefan H. E. Kaufmann, vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie, Berlin. „Jedes Jahr sterben weltweit bis zu einer halben Millionen Menschen an einer Influenza. Das bedeutet neben dem gesellschaftlichen Schaden vor allem großes persönliches Leid. Der Nutzen einer Grippeimpfung ist daran deutlich zu erkennen.“
Impfkritiker schüren Angst vor Impfstoffverstärker
Der Grund für die große Kritik sind vor allem Impfstoffverstärker wie beispielsweise Formaldehyd, Haifischleberöl oder Aluminimumhydroxid. Immer wieder gibt es öffentliche Diskussionen über die Nebenwirkungen durch diese Hilfsstoffe. Doch bisher stellen sie einen unverzichtbaren Bestandteil von nahezu allen Vakzinen dar. Die Verstärker provozieren eine Antikörper-Reaktion, wenn der Impfstoff dazu allein nicht in der Lage ist. Impfskeptiker sehen die Hilfsstoffe als Auslöser für so genannte Impfschäden an. Diese sollen zu schweren kognitiven und motorischen Störungen führen, wie beispielsweise Autismus oder Alzheimer. Das ist allerdings nicht mit wissenschaftlichen Studien belegt und wird von der überwiegenden Mehrheit der Mediziner zurückgewiesen. „Für solche Zusammenhänge gibt es keine Belege“, so Kaufmann, der allerdings einräumt: „Wir müssen mögliche Nebenwirkungen durch Impfstoffverstärker immer kritisch im Blick haben. Vor allem ist es bedauerlich, wenn die Diskussion in die falsche Richtung führt und das Vertrauen der Bevölkerung in Impfungen leidet.“
Pantoffeltierchen beenden die Impf-Diskussion
Doch mit der gesamten Diskussion könnte schon bald Schluss sein. Dem Biotechunternehmen Cilian AG aus Münster ist jetzt ein Durchbruch gelungen, der die Impfstoff-Produktion schon bald revolutionieren könnte. Präklinische in vivo-Tests haben ergeben, dass Cilians Impfstoffe CiFlu® (Grippe) sowie ein neues Vakzin gegen Malaria auch ohne Verstärker eine hohe Immunreaktion auslösen. Zudem ist die benötigte Menge so gering und das Produktionsverfahren so schnell, dass eine Streckung durch Verstärker auch für größere Produktionen nicht notwendig ist.
Bei ihrem Ansatz verwenden die Forscher von Cilian pantoffeltierchenartige Einzeller. Diese werden in einem sauberen biotechnologischen Prozess so bearbeitet, dass sie Oberflächenproteine der Viren produzieren. Das Verfahren ist reiner, schneller und sicherer als die momentan etablierten Produktionsmethoden. Es lässt sich auf sämtliche virale Infektionserkrankungen anwenden: Masern, Windpocken, Röteln – sogar Ebola. Aufgrund der geringeren Sicherheitsvorkehrungen, die zur Herstellung nötig sind, wäre die Produktions-Methode für Pharmakonzerne sogar wesentlich günstiger. Ein Scientific Advice zur weiteren Entwicklung wurde vom Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel bereits im Jahr 2013 erteilt. Cilian betreibt seine Forschung im Rahmen des ADITEC–Konsortiums der Europäischen Union, das unter anderem auf die Entwicklung von zukunftsweisenden Impfstoff-Technologien abstellt.
„Wir machen die gesamte Impfstoffverstärker-Diskussion überflüssig“
„Die etablierten Verfahren zur Entwicklung von Impfstoffen sind nicht mehr zeitgemäß und müssen vom Grundsatz her überdacht werden. Impfstoffe sollten, so wie jedes andere medizinische Produkt auch, hochrein sein. Das sind sie momentan nicht“, so Biologe Dr. Marcus Hartmann, Vorstand Forschung und Entwicklung von Cilian. „Mit Impfstoffen, die frei von Verstärkern sind, schaffen wir nicht nur Sicherheit für die Bevölkerung, sondern sondern können die Bedenken bei Impfstoffen beseitigen und damit die gesamte Impfstoffverstärker-Diskussion überflüssig machen. Das fördert auch wieder das Vertrauen in überlebenswichtige Impfungen.“
Bislang werden Grippe-Impfstoffe in embryonierten Hühnereier gezüchtet. Ein Verfahren, das auch Kaufmann für veraltet hält. Mit Blick in die Zukunft fordert er die Entwicklung eines Universal-Impfstoffes, der sämtliche Grippearten bekämpfen kann. Bis es aber soweit ist, seien hochreine, synthetische Impfstoffe wie der von Cilian eine gute Alternative: „Bei dem Hühnereier-Verfahren kann es immer wieder zu einer Verunreinigung kommen. Wenn wir jetzt gute synthetische Entwicklungen haben und sie einsetzen können, sollten wir es tun.“
Bildquelle (c) Markus Köller, www.die-lounge.com